Berliner Kinder- und Jugendtheater nur teilweise gerettet
Berliner Kinder- und Jugendtheater nur teilweise gerettet
Nachdem am Freitag Abend durch die Presse bekannt wurde, dass die geplanten Mittelkürzungen beim GRIPS Theater und beim Theater an der Parkaue sowie die Streichung der Tarifvorsorge zurückgenommen wurden, herrschte zunächst Erleichterung über diesen Schritt, den der Arbeitskreis der Berliner Kinder- und Jugendtheater sehr begrüßt. Auch einige andere Korrekturen im Sparkurs geben Anlass zur Hoffnung, dass die Regierung ihrem im Koalitionsvertrag selbstgesetzten Auftrag zur Stärkung der Kinder- und Jugendtheater gerecht wird und die Wichtigkeit von kultureller Bildung, Diversität und Inklusion anerkennt.
Es wurden bisher allerdings bei Weitem nicht alle Härten abgefedert und weitere Einschnitte stehen zu befürchten. So möchten wir hier noch mal darstellen, hinter welchen weiteren Haushaltstiteln im Kultur- und auch im Bildungsetat sich Kinder- und Jugendtheater sowie kulturelle Jugendarbeit verbirgt und fordern weitere Kurskorrekturen:
Die Schaubude Berlin, deren Publikum zu 75 % aus Kindern, Bildungseinrichtungen und Familien besteht, und die als Ankerinstitution für die freie Puppen-, Figuren- und Objekttheaterszene Berlins agiert und internationales Renommeé genießt, befindet sich in Trägerschaft der Kulturprojekte Berlin GmbH. Für diese wurden 15 % Kürzungen angekündigt. Kürzungen in dieser Höhe werden das künstlerische Profil, die Struktur und das Programm der Schaubude Berlin massiv beschädigen: Die Gagen der Künstler*innen würden drastisch reduziert, 30 % des Programms müssten gestrichen werden, darunter insbesondere Angebote im Bereich Barrierefreiheit und Vermittlung sowie das Kinderprogramm von April bis September, höhere Eintrittspreise würden kulturelle Teilhabe einschränken.
TanzZeit e.V. hat mit all seinen Programmen die Ausschreibung für den Kulturstandort Lucy- Lameck-Straße 32 gewonnen – das Junge Tanzhaus Berlin wurde als bestes Konzept ausgewählt. Eine Bühne für Tanzproduktionen für junges Publikum ist nicht nur eine kulturelle Daseinsvorsorge für Berlin, sondern setzt bundesweit Maßstäbe. Gleichzeitig drohen dem Verein Kürzungen von 18 % im Titel 68585 des Bildungshaushalts, die das Schulprogramm von TanzZeit mit jährlich bis zu 80 Klassen stadtweit gefährden. In diesem Titel drohen auch weiteren für die kulturelle Bildung wichtigen Programmen, darunter z.B. TUSCH und Querklang, irreparabler Schaden.
Die Streichung eines Kulturstandorts für die freie Kinder- und Jugendtheaterszene sowie Einschnitte im Bildungsbereich widersprechen dem Prinzip: „Starke Schultern tragen schwache Schultern.“ Diese Kürzungen treffen junge Menschen besonders hart – jene, deren Teilhabe und Mitgestaltung TanzZeit mit 20 Jahren Expertise in Neukölln und darüber hinaus fördert und stärkt. Wir fordern deshalb, die Realisierung dieses wichtigen Standorts für Tanz, Kinder- und Jugendtheater sowie kulturelle Bildung zu ermöglichen.
Wir solidarisieren uns darüber hinaus mit der Berlin Mondiale, die wichtige dezentrale Projekte für Kinder und Jugendliche in strukturschwachen Bezirken durchführt und die nun mit 50t Euro abgewickelt werden soll sowie der Stiftung für Kulturelle Weiterbildung und Kulturberatung. Die Stiftung soll 1Mio€ einsparen, was Personalabbau und schwere Einschnitte in das Programm der kulturellen Bildung zur Folge hat.
Das Theater- und Tanzangebot für Kinder und Jugendliche wird neben den größeren Häusern durch eine lebendige und vielfältige freie Szene bestehend aus mittleren und kleineren Produktionsorten sowie einer großen Anzahl von Gruppen und Einzelkünstler*innen gestaltet und vorangetrieben. Jede Kürzung in den bestehenden Töpfen der freien Szene gefährdet die Existenzen der bereits jetzt sehr prekär arbeitenden Kinder- und Jugendtheater sowie der freien Akteur*innen dramatisch. Hierzu gehören beispielsweise das Theater Strahl und das Atze Musiktheater als konzeptgeförderte Häuser (Titel 68322), das Weite Theater, das Theater o.N., das FELD Theater für junges Publikum, das Fliegende Theater, das Figurentheater Grashüpfer, das Schlossplatztheater, die Jugendtheaterwerkstatt Spandau und die Zitadelle Puppet Company in der Basisförderung (Titel 68610), das Theater Jaro in der KiA-Förderung sowie Gruppen und mobile Theater ohne Ort wie z.B. das Platypus Theater und die Gruppe florschütz&döhnert (Titel 68610) und weitere, die auf die freien Fördertöpfe sowie die KiA- Förderung angewiesen sind. Und das Morgenstern - Theater im Rathaus Friedenau konnte schon dieses Jahr mangels ausreichender finanzieller Ausstattung der Fördertöpfe trotz Förderempfehlung nicht in die einjährige Produktionsorteförderung aufgenommen werden und steht aktuell erneut vor dem Aus.
Die meisten Theater in der Basisförderung haben seit 2022 keine Erhöhung mehr erhalten, was de facto einer Kürzung gleichkommt, da steigende Mieten sowie Lohn- und Honorarkosten intern ausgeglichen werden mussten. Weitere Kürzungen werden das System zusammenbrechen lassen, wie die Jury bereits in ihrem Statement vom 12. November deutlich ausführt: “Jede Einsparung in den Fördertöpfen wird die Schließung von einzelnen Spielstätten und das Ende von zahlreichen künstlerischen Karrieren zur Folge haben – in direkter Konsequenz und als Folge in den kommenden Jahren.” https://www.tanzraumberlin.de/artikel/die-freie-szene-ist- durch-die-sparpolitik-des-berliner-senats-in-ihrer-existenz-bedroht/.
Die freie Szene arbeitet mit einem Geflecht aus Projektförderungen, die sich gegenseitig bedingen. Die kleinen Fördersummen, die die Produktionsorte erhalten (zwischen 50.000€ und 170.000€ jährlich), werden ergänzt durch die Projektförderungen, die die freien Gruppen und Künstler*innen mitbringen, um ein Programm zu gestalten. Hierzu gehören die Einstiegs-, Einzelprojekt-, Wiederaufnahme- und die spartenoffene Förderung. Die Orte in der Basisförderung erreichen zusammen jährlich ca. 70.000 junge Zuschauer*innen. Wir fordern die Fördertöpfe der freien Szene bei weiteren Maßnahmen zum Ausgleich der pauschalen Minderausgaben auszusparen.
Für den Arbeitskreis Berliner Kinder- und Jugendtheater:
Atze Musiktheater, Thomas Sutter und Matthias Schönfeldt
Das Weite Theater, Björn Langhans
Figurentheater Ute Kahmann
GRIPS Theater, Philipp Harpain und Andreas Joppich
Morgenstern – Theater im Rathaus Friedenau, Pascale Senn Koch und Daniel Koch Schaubude Berlin, Tim Sandweg
TanzZeit/TANZKOMPLIZEN, Livia Patrizi
Theater an der Parkaue, Christina Schulz und Alexander Riemenschneider Theater Jaro, Katja Pölzer
Theater o.N., Dagmar Domrös, Doreen Markert und Vera Strobel
Theater Strahl, Karen Giese, Anna Vera Kelle und Matthias Kelle